Im Bann der Lenticularis, Joachim Küttner (21.9.1909 - 24.2.2011)

 

 Dr. Joachim P. Küttner in seinem UCAR-Büro in Boulder im Jahr 2000                                                                                                               

 

Als er seine erste Welle kennenlernte, über dem Riesengebirge, hatte er schon ein Leben hinter sich. Als er ihrer amerikanischen Schwester näher kam waren es bereits drei.
Und als er sich aufmachte all dem geheimnisvollen Wellentreiben endgültig auf die Spur zu kommen begann er Leben Nummer sieben.

 

Wieviel Leben kann man wohl in hundert Jahre packen?

 

Für Joachim Küttner war das nicht die Frage.
Er folgte seinem Instinkt, verfolgte seine Passion und füllte das Leben, das sich ihm bot.
Nach einigen Jahren in der Justiz zog es ihn in den Himmel. Auf die Erforschung des rätselhaften Auf und Ab in der Luft kam die Erprobung von schwerem Fluggerät, vom lautlosen Flug ging es zum donnernden Vorwärts.

 

Dass die Atmosphäre mit ihren Wellen ihn danach zum zweiten Mal verführte war kein Wunder sondern eine Konsequenz seiner Neugier. In der Sierra Nevada hoffte er ihr mit mehr Einsatz und besserer Ausrüstung auf die Schliche zu kommen. Dabei bekam die Wissenschaft mehr Wissen und er einen Höhenrekord im Segelflug.
Anschliessend ging es aber noch weiter hinauf: er half Wernher von Braun den ersten Amerikaner ins All zu schiessen.

 

Sein Drang nach oben war damit erstmal befriedigt, die Wissenschaft hatte ihn wieder, oder er sie. Was die Atmosphäre trieb und antrieb erkundete er in globaler Mission.


Leewellen und Rotoren liessen ihn aber nicht los. Noch bevor er zum dritten Mal alle Kräfte und Kollegen mobilisierte um das Laminare und Turbulente wissenschaftlich dingfest zu machen hatte er eine Vision weiter entwickelt die knapp 50 Jahre vorher auf seinem spektakulären 600km Wellenstreckenflug mit einem Trainingsdoppelsitzer entstanden war: mit Hilfe der Kraft der wilden Winde 2.000km zu fliegen. Es war dieser Traum der ihn mit uns, dem Mountain Wave Project, zusammen brachte. Seinem Preis für den ersten 2.000km Wellenstreckenflug in gerader Linie auf eine Art nach zu jagen, an die er nicht glaubte, faszinierte ihn. Er kam nach Berlin um Ideen zu diskutieren, Erfahrungen beizusteuern und das Neueste aus seiner Wellenforschung zu verraten.
Als er schliesslich im Februar 2004 Klaus Ohlmann seinen Preis überreichte vertiefte er den schon engen Kontakt mit uns - und schraubte die Herausforderung noch einmal höher.

 

Den Preis für die ersten 2.500 Geradeaus-Kilometer wird Joachim Küttner nicht mehr überreichen können, am 24. Februar ist er im Alter von 101 Jahren in Boulder, Colorado, gestorben.